BLOG | 19. Juni 2021 | 3 min Lesezeit
Von der Fehlerkultur zur Optimierungskultur
Als Teil unserer Kultur werden Fehler oft als etwas Negatives betrachtet. Insofern gilt die Maxime, sie tunlichst zu vermeiden. Auch in zahlreichen Unternehmen sind Fehler oftmals negativ behaftet und werden womöglich durch Strafmaßnahmen sanktioniert. Dabei wäre der Schritt von einer Fehlerkultur hin zu einer Optimierungskultur für das Unternehmen wie auch für die Mitarbeiter der beste und vielversprechendste Weg.
Das Schema der in vielen Unternehmen praktizierten Fehlerkultur läuft oft nach ähnlichen Mustern ab: zunächst wird nach dem Verursacher gesucht, der möglichst unerkannt bleiben möchte. Wird er/sie dann doch gefunden, erfolgt meist eine Art Rechtfertigung - und zwar aus Angst, in Form einer Schelte, Bonuskürzung, Abmahnung oder gar Kündigung bestraft zu werden.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei Zielvorgaben, die nicht erreicht werden. Mögliche Konsequenzen sind auch hier breit gefächert, von Bonuskürzungen über die verwehrte Beförderung bis hin zu Abmahnung oder im Extremfall bis zur Kündigung. Oftmals sind die Zielvorgaben zu ambitioniert, manchmal sogar unerreichbar oder deren Realisierung liegt größtenteils nicht im Einflussbereich der umsetzenden Person. Kommt dann noch eine Management-Philosophie nach dem Prinzip "Mangement by fear" hinzu, wird das gesamte Unternehmen in ein Lügenkorsett gezwungen. Prominente Beispiele, man denke nur an den Dieselskandal, gibt es zuhauf.
Mögliche Ausprägungen einer negativen Fehlerkultur:
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Führungskräfte scheuen sich, Entscheidungen zu treffen;
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Entscheidungen werden zwischen funktionalen Organisations-Linien und der Matrix hin- und hergeschoben und zunehmend „nach oben delegiert“;
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Entscheidungen werden zunehmend über mehrere Hierarchieebenen im Vier- oder Mehr-Augen-Prinzip in formalisierter Form freigegeben. Folglich sinkt der Spielraum für Entscheidungen auf niedrigeren Hierarchieebenen.
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Mitarbeiter fühlen sich gezwungen, die Darstellung von Sachverhalten zu verändern oder gar die Unwahrheit zu berichten.
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Das interne Reporting wird intensiviert, um möglichst über alle Sachverhalte informiert zu werden, um mögliche Informationslücken zu schließen und um Mitarbeiter zu kontrollieren.
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Manager führen umständliche Prozesse ein, die zwar die Absicht verfolgen, Fehler zu vermeiden, die die Organisation jedoch nachhaltig lähmen. Mitunter geht es dabei um die eigene Absicherung, die notwendigen Vorkehrungen getroffen zu haben, um sich vor etwaigen Vorwürfen zu schützen, man habe nicht gehandelt. Eine häufige Folge dieses Agierens ist die Einführung zahlreicher Kontrollmechanismen, die die Organisation lähmen, Prozesse verlangsamen und ihren Komplexitätsgrad erhöhen. Häufig zielen Korrekturmaßnahmen dabei zu einseitig auf die Fehlerver-meidung ab, während das Gesamtoptimum aus den Augen verloren wird.
Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass sich zahlreiche Großkonzerne aufgrund ihrer negativen Fehlerkultur zu behäbigen und bürokratischen Gebilden entwickelt haben. Zwar wird dieser Umstand seitens der dort arbeitenden Mitarbeiter und Führungskräfte – ja selbst seitens des Managements – oft beklagt, niemand sieht sich jedoch in der Lage, die über die Jahre gewachsene Komplexität zu entzerren.
Wie sieht also die Alternative zu den geschilderten Situationen aus?
Für Unternehmen ist es zielführender und für Mitarbeiter ist es motivierender, die "Fehler(vermeidungs)kultur" in eine Optimierungskultur zu überführen. Was sind die Merkmale einer solchen Optimierungskultur?
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Fehler werden als Chance zur Verbesserung verstanden.
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Mitarbeiter gehen offen und transparent mit Fehlern um.
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Niemand verschwendet Zeit und Energie, um Fehler oder nicht realisierte Zielvorgaben zu kaschieren
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Der Fokus der Mitarbeiter liegt in der Suche nach ständig besseren Lösungen
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Mitarbeiter sind motivierter, weil sie sich nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung sehen (und auch so von ihren Führungskräften wahrgenommen werden)
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Im Unternehmen wird ein System der kontinuierlicher Verbesserung implementiert. Wie ein solches System aussieht, wird zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle erläutert.
Die Transformation von einer Fehlerkultur in eine Optimierungskultur bedingt einen Kulturwandel im Unternehmen. Daher ist es nicht ausreichend, eine neue "Marschrichtung" auszugeben und zu erwarten, dass Führungskräfte die neuen Anforderungen selbstständig umsetzen. Ein Kulturwandel muss gut vorbereitet werden und erfordert einige Jahre der Umsetzung.